„Warum hat sie mich denn nie nach Mirabellen gefragt?“
Ja, dann hätte ich ihr die schönsten Bäume, mit jenen, von ihr so begehrten Früchten zeigen können. Dann hätte sich vielleicht etwas zwischen uns entwickeln können. Aber sie hat nicht gefragt. Hat einen anderen Mann geheiratet und mit ihm eine Familie gegründet.
„Warum hat sie sich nie auf mich zubewegt?“
Ja, dann hätte ich meine Göttin vielleicht doch in die Arme nehmen können. Wir hätten unsere gemeinsame Liebe entdeckt und zusammenleben können. Aber sie kam nicht herunter aus ihrem Olymp. Und so wurde aus unserer großen Zuneigung zueinander, niemals eine große Liebe.
Zwei Frauen, zwei Enttäuschungen. Und immer wieder ein „Warum“. Es ist ein Leben, zum aus der Haut fahren.
Ja, warum denn eigentlich nicht? Warum nicht ein anderes Leben leben wollen?
Zum Beispiel das von Julian Tifflor? Sie kennen ihn nicht? Nun, er ist ja nur eine fiktive Gestalt. Der zweite Mann hinter Perry Rhodan, in jenem Phantasiegebilde, das man Solares Imperium nennt. Ein großes, starkes Reich, in dem man mit gewaltigen Raumschiffen die Milchstraße durchkreuzt. Immer wieder auf neuen Feinden stößt und immer wieder siegreich aus den Schlachten hervor geht.
Aber viel wichtiger wäre es für mich, in diesen mächtigen Raumschiffen die Grenzen der Galaxis zu erreichen. Jene Gebiete, die heute unerreichbar weit entfernt, über meinen erfassbaren Horizont liegen. Dort möchte ich Neues erleben und erforschen. Endlich die Grenze überschreiten, die mich auf dieser Erde bindet. Durchstarten in die Freiheit.
Aber was ist dann? Stoße ich denn nicht sofort wieder auf eine neue Grenze. Und augenblicklich fühle ich die gleiche Gebundenheit und die gleiche Sehnsucht. Das ist das Problem: Die grenzenlose Unendlichkeit kann man nur in der Ewigkeit erfahren. In dieser Welt wird es immer eine Grenze geben, die man nicht überschreiten kann.
Warum dann nicht gleich ein Forscher werden? Einer wie Otto Hahn. Er beschrieb das Undenkbare. Atome spalten? Unmöglich. Aber er dachte an genau diese Unmöglichkeit, als er keine andere Erklärung für die seltsamen Ergebnisse seiner Versuche fand. Er überschritt eine gedankliche Grenze in ein neues Land. Für ihn gab es kein: Bis hier hin und nicht weiter.
Aber es entwickelt sich daraus eine Technik, die zunächst segensreich zu sein schien. Doch je mehr man über die Kernspaltung erforschte, umso mehr erkannte man die Unberechenbarkeit dieser Technik. Sie erzeugt Probleme, die noch in zehntausend Jahren die Menschen beschäftigen werden. Und hätte Otto Hahn dem Nazi-Teufel, mit seiner Entdeckung nicht fast eine furchtbare Waffe in die Hand gespielt. Eine Waffe, mit der dieser seine dunklen Pläne, die Welt erobern zu können, eventuell doch hätte realisieren können?
Nein als Forscher ist man zu schnell ein Handlanger des Todes.
Dann könnte ich mich doch dem Leben und dem Glauben zuwenden. So zu werden, wie Petrus. Hat der ein Glauben gehabt! So stark, dass er sogar übers Wasser laufen konnte. Nun ja. wenigstens ein kleines Stück. Dann verließ ihn seine Zuversicht. Er fand sich wieder, in dieser stürmischen Welt. Und in dieser Welt, das wusste er, kann man auf dem Wasser nun einmal nur untergehen.
Ja Petrus, das wäre einer nach meinem Geschmack. Impulsiv und doch verzagt, treu und doch verräterisch, Stark und doch schwach.
Doch was hat Jesus zu ihm gesagt?
„Du sollst Gott, deinem Herrn lieben, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinem Gemüt, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Wichtig ist der letzte Halbsatz „…wie dich selbst“. Das ist die Basis für meine Begegnung mit Gott und den Menschen. Mein Leben lieben. Mich annehmen wie ich bin. Nicht irgendwelchen vermeintlichen Idealen nachjagen, die Andere zu erfüllen scheinen. Ich nehme mein Leben so an, wie es sich mir stellt. Es wird mir nicht aufgezwungen, sondern es macht mich zu dem, der ich bin. Wie kann ich da ein anderes Leben leben wollen?
Ich habe meine Göttin nicht bekommen? Was war der Grund?
War uns beiden denn nicht stets irgendetwas anderes wichtiger als unsere, sicherlich vorhandene, gegenseitige Liebe? Unsere Angst, unser Stolz, unsere gemeinsame Arbeit? Wäre uns unser gemeinsames Glück das Wichtigste auf dieser Welt gewesen, wären wir zusammengekommen. Wir hätten den Weg gemeinsam finden können. So jedoch verloren wir uns.
Und jene Mirabellendame? Nun, es hat ja doch noch geklappt. Heute sind wir verheiratet. Und ich würde sie gegen keine Göttin dieser Welt eintauschen.
Das einzige Leben, das ich leben möchte, ist mein eigenes. Es hatte viele Tiefen gehabt, und hätte ein paar Höhen mehr vertragen können. Aber letztlich hat es mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Und auf diesen bin ich sehr stolz.
Dafür bin ich Gott sehr dankbar und werde diese Dankbarkeit an meinen Nächsten weitergeben.
Hintergrund der Geschichte:
Autobiographisches Schreiben. Perspektivwechsel. Sich eimal in eine andere Person hinein wünschen.
2,5 Seiten