Alles in mir wehrte sich dagegen, wach zu werden. Wie aus einem tiefen Schlaf zu mir gekommen, hatte ich Mühe meine Augen zu öffnen. Einfach nur weiterschlafen signalisierte mir mein ganzer Körper. Doch dann gewann der Aufwachimpuls die Oberhand. Ich riss meine Lider auf, nur um sie sofort wieder zu schließen. Grelles Licht blendete mich.
„Verdammt, wo bin ich hier?“
Blinzelnd öffnete ich erneut meine Augen. Wieder schaute ich in diesen übermächtigen Lichtstrom hinein. Ich wollte den Kopf abwenden. Doch er gehorchte mir nicht. Eine Panikattacke durchfuhr meinen ganzen Körper.
„War ich gelähmt? Wieso?“
Angsterfüllt bewegte ich meine Augen nach rechts. Es brauchte einen kleinen Augenblick bis ich etwas erkennen konnte.
„Was ist das?“
Neben mir bewegte sich gerade ein kleiner Becher, der dadurch seinen Inhalt, in eine schon weitgehend gefüllte Glasröhre entlud. Sofort kippte das kleine gläserne Gefäß zurück in seine Ausgangsstellung und wurde durch einen beständig tropfenden Strom Flüssigkeit erneut gefüllt.
„Was soll das alles?“
Mein Blick wanderte nach links. Dort schien der Lichtstrom zwar etwas schwächer zu sein, aber ich konnte dennoch nichts erkennen. Nur kaum wahrnehmbare und in ihrer Struktur nicht zu erfassende, seltsame Schatten schienen das gleißende Licht zu umtanzen.
Angestrengt lauschte ich in den Raum hinein, der mich umgab. Anfangs höre ich nur das starke Rauschen meines eigenen Blutes. Konzentriert versuchte ich dieses Rauschen zu durchdringen. Bald vermeinte ich ein grummelndes Grollen erkennen zu können, mit dem ich nichts anzufangen wusste. Es blieb von nun an beständig im Hintergrund wahrnehmbar. Ab und an gab es in scheinbar weiter Ferne ein scharfes, klares Geräusch, als wenn Metall auf Metall traf.
„Schaltete da irgendetwas?“
Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Nun zog ich tief die Luft ein. Kein Geruch! Nichts! Es verwirrte mich noch mehr.
Unvermittelt huschte einer der Schatten vor die strahlende Lichtquelle. Mein Blick richtete sich sofort gerade aus. Eiskalt schoss es mir den Rücken hinunter und mein Herz schien sich zu verkrampfen. Direkt über mir hing ein großes scharfaussehendes Messer, dessen Spitze direkt auf meinen Körper, mehr noch, stracks auf mein Herz zu zielen schien. Noch bevor ich mehr erkennen konnte, hatte der Schatten das Licht jedoch wieder frei gegeben. Das Messer verbarg sich erneut hinter dem Vorhang blendender Helligkeit.
Ich wollte aufspringen. Aber meine Muskeln spannten sich nicht an. Schweiß schien mir auf die Stirn zu treten. Wieder wollte ich instinktiv reagieren, ihn wegwischen. Doch meine Arme lagen fest.
„War ich gefesselt?“
Mein Blick sollte nach unten wandern. Verschwommen nahm ich jedoch nur die unter den Augen liegende Partie meines Gesichtes wahr.
„Sinnlos!“
Ich konzentrierte mich auf meinem Körper. Stück für Stück wollte ich ihn nach unter erspüren. Aber da war nichts. Als hätte ich keinen Körper mehr.
„Was in Namen Gottes geschieht hier mit mir?“
Mein Blick wanderte wieder nach rechts. Er erfasste erneut den kleinen Becher, der weiterhin beständig tropfend gefüllt wurde. Die Röhre war jetzt schon fast gefüllt. Vier, vielleicht fünf Becherladungen noch, dann würde sie überfließen.
„Und was geschieht dann?“
Mein Blick versuchte der Röhre nach unten zu folgen. Der Kopf spielte nicht mit. Meine Pupille wanderte in den äußersten Winkel meines Auges. Alles wurde unscharf. Wieder durchfuhr mich ein Schrecken. Von der Röhre schienen Kabel wegzuführen.
„Kabel? Wozu Kabel?“
Ich versuchte nachzudenken. Zu erkennen, wie alles zusammenhing. Aber mein ganzes Gehirn schien in einen schweren, wabernden Nebel zu liegen, in dem sich die Neuronen verloren und ihre Ziele nicht mehr zu finden wussten. Dann ein erschreckender Lichtblick.
„Ein Schalter! Die Kabel führten zu einem Schalter.“
Mit einem Male schien mir alles klar zu sein. Sobald die Röhre überfließen würde, so vermutete ich, überflutete die Flüssigkeit die Kabel, und ein Stromkreis würde geschlossen werden.
„Und dann? Was dann? Das Messer! Es wird fallen! Jawohl. so muss es sein!“
Ein unbegreiflicher Schrecken durchflutete mich. Mein ganzes Wesen schien sich zusammen ziehen zu wollen.
„Jemand will mich töten! Mich! Unvorstellbar! Wer? Und warum?“
Verzweifelt versuchte ich mich aufzubäumen. Aber mein Körper gehorchte mir noch immer nicht. Ich versuchte ruhiger zu werden. Der Sache auf dem Grund zu gehen.
„Wer wollte mich töten? Und dies auf diese bestialische Art und Weise?
Vor meinen Augen zogen die Portraits all jener Personen vorbei, von denen ich mutmaßen wollte, dass sie mir nicht gerade wohlgesonnen sein könnten. Aber ich konnte unter ihnen keinen Menschen entdecken, der einen solchen Hass auf mich haben könnte, um eine solch verruchte Tat vollbringen zu wollen. Niemanden!
Ich lauschte erneut in den Raum hinein. Saß er nun irgendwo neben mir, und sah meinem Sterben zu.
„Der Schatten vorhin! Ja, er muss hier sein. Diese Bestie!“
Ich wollte schreien. Nicht dass ich eine echte Hoffnung gehabt hätte, dass mich jemand anderes hören würde. Wer so einen perfiden Plan umsetzen wollte, wird schon dafür gesorgt haben, nicht gestört zu werden. Ich wollte es aber dennoch versuchen. Ich musste es einfach versuchen! Aber auch meine Stimme versagte. Kein Ruf kam über meine Lippen. Nicht das leiseste Krächzen kam aus meiner Kehle.
„Was war mit mir los? Hatte das Untier mich vorher betäubt? Mich mit KO-Tropfen außer Gefecht gesetzt?“
Ich war mir mit einem Male sicher, dass es so gewesen sein musste. Alles würde zusammenpassen. Meine körperlichen Unfähigkeiten, meine Müdigkeit, meine Desorientierung.
Neuerlich fiel mir der Becher ein. Die Röhre war fast voll. Der Becher kippte grade wieder zurück. Eine Ladung noch zum Füllen, eine noch zum Überlaufen, schätzte ich. Ich begann zu zählen.
„einundzwanzig, zweiundzwanzig…“
Langsam und gleichmäßig, so wie ich es bei den Pfadfindern gelernt hatte.
„…Achtundfünfzig, Neunundfünfzig, Sechzig.“
Der Becher kippte.
„Wie lange hat das jetzt gedauert? Eine Minute vielleicht? Ja, vermutlich solange! Also blieb mir noch eine Minute!“
Noch einmal versuchte ich zu schreien. Dieses Mal glaubte ich sogar ein winzig kleines Krächzen aus meiner Kehle heraus bekommen zu haben. Aber selbst darin war ich mir nicht sicher. Ich gab es auf, meine Stimme zu bemühen, die doch kein Helfer vernehmen können würde. Vielmehr versuchte ich mich etwas zu entspannen. Bilder der schönsten Augenblicke meines noch viel zu kurzen Lebens, begannen innerlich an mir vorbei zu fließen. Nur die Schönen. Denn der schlimmste aller meiner Momente stand mir unmittelbar bevor.
Mir wurde plötzlich bewusst, dass das Hintergrundgemurmel verstummt war. Dafür vermeinte ich ein neues, seltsames Geräusch zu hören. Etwas wie ein saugendes Zischen. Und mit einem Male war gar nichts mehr.
Mühsam kämpfte sich mein Bewusstsein wieder an die Oberfläche zurück. Doch der tiefe Schlaf wollte mich noch nicht wach werden lassen. Ich bekämpfte die bleierne Müdigkeit. Meine Muskeln spannten sich etwas an. Ein angenehmes Gefühl durchlief mein Körper. Meine Augen blinzelnden. Ein angenehm sanftes Licht umgab mich. Langsam öffneten sich meine Lider. Ganz verschwommen nahm ich so etwas wie ein Labor wahr. Ich hörte wie eine weibliche Stimme sagte:
„Ich glaube, er wacht jetzt auf.“
Gleich darauf verlor ich mich noch einmal für einen kurzen Moment in den Schlaf. Doch schon öffneten sich wieder meine Augen. Es ging nun alles viel einfacher. Ein Mann im weißen Kittel stand vor mir:
Mein Name ist Dr. Köhler. Sie hatten einen schweren Unfall gehabt und wurden soeben von mir operiert. Das Schlimmste haben sie jetzt überstanden.
Hintergrund der Geschichte:
Im Schreibatelier bekam jeder ein Genre zugelost, zu dem er eine Geschichte schreiben sollte.
5,5 Seiten